Rund 300 Menschen besuchten seit Anfang Oktober die Wanderausstellung „ECHT MEIN RECHT!“ zum Thema Selbstbestimmung und Schutz vor sexualisierter Gewalt für Menschen mit Lernschwierigkeiten im Kulturspektrum Trier. Organisiert wurde die Ausstellung vom Projekt Selbstvertretung der Lebenshilfe Trier in Kooperation mit pro familia Trier und Elisabeth Handicap Luxemburg. Im Rahmen der Finissage fand am Freitagabend eine Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen von verschiedenen Organisationen und Interessensvertretern statt.
Rebekka Auer, Leiterin des Projekts Selbstvertretung der Lebenshilfe Trier, begrüßte nach einer schwungvollen Darbietung der Tanzgruppe „BETZ DANCE“ von Elisabeth Handicap Luxemburg die anwesenden Gäste. Auf dem Podium nahmen Platz (von links nach rechts): Heiko Reppich (Vorstand Lebenshilfe Trier e. V.), Claudia Heltemes (Geschäftsführerin pro familia Trier), Andreas Weist (Sexualpädagoge Elisabeth Handicap Luxemburg), Nicole Schulze (Sexarbeiterin), Michael Scheiwen (Projekt Selbstvertretung Lebenshilfe Trier e. V.) und Martina Faßbender (Projekt Selbstvertretung Lebenshilfe Trier e. V.).
Während der Diskussionsrunde wurden verschiedene Aspekte angesprochen, so unter anderem der Umgang mit dem Thema Sexualität in den Organisationen. Gemeinsam haben alle das hohe Bewusstsein für die Thematik. Die Umsetzung ist jedoch unterschiedlich. Heiko Reppich, Vorstand der Lebenshilfe Trier, erläuterte: „Wir unterstützen die Menschen in unseren Einrichtungen dahingehend, dass sie ihre Bedürfnisse ausleben können. Konzeptionell betrachtet stehen wir hier aber leider noch am Anfang. Wir werden uns hier stärker auf den Weg machen, es besteht ein hohes Bewusstsein unter den Mitarbeiter*innen, das ist ein guter Grundstein, um die Thematik nach vorne zu bringen.“.
Elisabeth Handicap Luxemburg ist vor einigen Jahren den Schritt gegangen und hat eigene Sexualpädagog*innen ausbilden lassen und kann so die Bewohner*innen bei ihren Wünschen selbst beratend unterstützen. Den Wunsch nach Konzepten in den Einrichtungen bekräftigte auch Claudia Heltemes, Geschäftsführerin von pro familia Trier. Ihre Organisation werde häufig in schwierigen Situationen angefragt. Mit dem gegründeten Fachforum Sexualität sollen die Konzepte zur Förderung der sexuellen Selbstbestimmung in Gang gebracht werden. Zudem dient das Fachforum als Austauschmöglichkeit für Menschen aus diesen Arbeitsfeldern.
Dass ein Bedarf vorhanden ist, bestätigte auch Nicole Schulze, die sich seit 2018 im Rahmen ihrer Sexarbeit verstärkt auf Menschen mit Beeinträchtigung spezialisiert hat. Hierfür ist eine spezielle Fortbildung notwendig. Sie teilte einige Erfahrungsberichte und gab Einblicke in ihre Arbeit. Sie wünscht sich weniger Tabuisierung, so dass auch Menschen mit Beeinträchtigung ihre Sexualität besser ausleben können. Die Rechtslage in Deutschland bietet hier Möglichkeiten im Gegensatz zu Luxemburg, wo Sexarbeit offiziell verboten ist.
Im Laufe der Diskussion wurden vermehrt Fragen aus dem Publikum gestellt. So zum Beispiel, wie beeinträchtigte Paare bei einem Kinderwunsch begleitet werden. In Trier bietet das Projekt "Frühe Hilfen" von pro familia Unterstützung. Paare in den werdenden Familien werden besucht und begleitet. Die Unterstützung reicht bis in das 3. Lebensjahr des Kindes. „Ziel ist es dabei vor allem Ängste ab zu bauen, aber auch deutlich zu machen, welche Anforderungen bestehen“, so Claudia Heltemes. Die Lebenshilfe Trier hat sich dieser Thematik ebenfalls angenommen und möchte perspektivisch begleitend zur Seite stehen. Elisabeth Handicap verweist in diesem Themenfeld an die APEMH, die in ihrer Struktur der Lebenshilfe ähnelt.
Bei der Abschlussfrage, welchen Wunsch oder Appell die Podiumsteilnehmer*innen an die Gesellschaft haben, waren sich alle einig: Inklusion, Offenheit und die Möglichkeit für alle Menschen, ihre Rechte und Wünsche (aus)leben zu können, sind Teil einer wünschenswerten Zukunft.
Mit der Ausstellung wurde es nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung ermöglicht, sich niedrigschwellig dem Thema Sexualität zu nähern und über ihre Rechte und Schutzmöglichkeiten zu informieren. Auch Menschen ohne Beeinträchtigung erhielten Einblicke in ihnen bisher wenig vertraute Gedankenwelten. Insgesamt hatte die Ausstellung einen hohen Mehrwert für alle Besucherinnen und Besucher.