Ein voller Erfolg: Am 5. Mai marschierten rund 400 Menschen mit und ohne Beeinträchtigung durch Trier, um sich für Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und eine inklusive Gesellschaft stark zu machen. Nach der Demo wurde ausgiebig auf der inklusiven PARTYzipation gefeiert.
„Barrieren überwinden, zueinander finden!“ – Mit diesem Motto zog ein großer Demonstrationszug anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung durch die Trierer Innenstadt. Aufgerufen dazu hatte das „Aktionsbündnis 5. Mai“, ein Zusammenschluss von 15 Sozial- und Kulturvereinen aus Trier, den es in solcher Form zum ersten Mal gab. Gefördert wurde der Tag von der Aktion Mensch.
Lautstark forderten das Bündnis und die Demonstrant*innen mit Plakaten, Bannern und Wimpeln mehr Anstrengungen für Inklusion in allen Teilen der Gesellschaft sowie eine konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. Nachholbedarf bestehe insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Wohnen, Bildung, Arbeit und Mobilität.
Angesichts der bevorstehenden Europa- und Kommunalwahlen äußerte man die Sorge vor einem Rechtsruck. Deshalb sei es in diesem Jahr besonders wichtig, zur Wahl zu gehen. Überdies solle mehr politische Partizipation von Menschen mit Behinderung möglich sein – in den Parteien, in den Kommunen, im Landtag und auf Bundesebene. Der Leitgedanke der Selbstvertreter*innen, „Nichts über uns, ohne uns!“, bringt diese Forderung auf den Punkt.
Aber der Protesttag war in diesem Jahr nicht nur wegen der hohen Beteiligung ein voller Erfolg: Das Wetter spielte mit, die Stadt war wegen des verkaufsoffenen Sonntags und des Events „Wine in the City“ gut besucht, und viele Redner*innen aus der Politik, darunter unter anderem RLP-Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sowie die Bundestagsabgeordneten Corinna Rüffer (Die Grünen) und Verena Hubertz, hatten sich im Vorfeld angekündigt.
Im Anschluss betraten Rebekka Auer, Leiterin des Projekts „Selbstvertretung“ der Lebenshilfe, und Selbstvertreterin Beate Macher die kleine Bühne. „Heute geht es darum, dass Menschen mit Behinderung ihre Stimmen erheben und gehört werden. Denn wer könnte besser darüber sprechen, welche Barrieren abgebaut werden müssen, als diejenigen, die sie tagtäglich erleben. Nehmt sie endlich als Expertinnen und Experten in eigener Sache wahr und ernst“, forderte Rebekka Auer.
„Wir können eine Gemeinschaft aufbauen, die auf gegenseitiger Unterstützung und Solidarität beruht. Indem wir unsere Kräfte bündeln, können wir gemeinsam größere Veränderungen herbeiführen als alleine. Mit dem „Aktionsbündnis 5. Mai“ setzen wir deshalb nicht nur für dieses Jahr ein Zeichen für Zusammenhalt. Wir kämpfen über den heutigen Tag hinaus für Teilhabe, denn sie ist das Recht aller!“
Als nächstes übergab man das Mikrofon an Michael Jörg, den 1. Vorsitzenden des Club Aktiv e. V. „Alleine sind wir schneller, aber gemeinsam kommen wir weiter. Und das ist heute wichtig,“ sagte er. Leider sei der Protesttag immer noch notwendig. Es fehle an bezahlbarem, barrierefreiem Wohnraum und die Mobilität sei besonders auf dem Land schlecht. Der Zugang zu Bildung, Informationen und zum Arbeitsmarkt sei immer noch schwierig. „Wir brauchen Arbeitgeber, für die es keine Barriere darstellt, Menschen mit Behinderung einzustellen,“ forderte Jörg.
Aber die Zeiten seien auch gut, denn man befinde sich im Wahlkampf, sowohl auf europäischer als auch kommunaler Ebene. „Geht wählen, aber wählt demokratisch,“ forderte er weiter. „Fallt nicht auf die rechten Rattenfänger herein, die auf schwierige Fragen nur einfache Antworten haben. Besucht die Wahlkampfveranstaltungen, aber nicht alleine. Tut euch zusammen, ihr könnt euch gemeinsam helfen und vertreten! Sagt, was euch auf dem Herzen liegt!“
Anschließend stand Klaus Jensen (SPD), ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Trier, auf der Rednerliste. Zunächst spannte er den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart. 1980 habe es in der Trierer Europahalle eine Veranstaltung unter dem Namen „Das Jahr des Behinderten“ gegeben. „Es stimmt mich traurig, wenn ich sehe, dass trotz aller Fortschritte von damals, 44 Jahre später vergangen sind, und wir immer noch gemeinsam fordern müssen: mehr Arbeitsplätze im allgemeinen Arbeitsmarkt, bessere Ausbildung und mehr barrierefreie Wohnungen,“ so der ehemalige Oberbürgermeister. „Ich appelliere an alle: Nehmt das Thema Inklusion wirklich ernst, und überlegt, was ihr tun könnt, damit es nicht wieder 44 Jahre dauert, bis die Forderungen erfüllt werden, die heute hier aufgestellt werden!“
Es gehe aber in Zukunft nicht nur darum, Fortschritte zu erzielen, sondern auch das Erreichte zu verteidigen. „Wenn ich dann höre, dass die AfD genau das Gegenteil von dem will, was wir hier wollen, nämlich Inklusion, dann ist das etwas, das wir in unserer Geschichte schon erlebt haben. Und das darf nie, nie wieder passieren. Deshalb wehret den Anfängen!“
Gerd Dahm, der Beauftragte für die Belange der Menschen mit Behinderung der Stadt Trier, merkte an, er habe sich fünf Punkte für seine Ansprache auf die Hand geschrieben. Unter Punkt eins dankte er zunächst Rebekka Auer als Initiatorin des Aktionsbündnisses. Der Applaus war ohrenbetäubend.
Dann folgte das nächste Stichwort auf seiner linken Hand: Schule. „Wir protestieren, dass Kinder nicht dort zur Schule gehen können, wo sie leben. Es ist nicht die Regel, dass Kinder das in Deutschland können, weil die Schulen nicht passen, und nicht weil die Schüler nicht passen,“ so Dahm.
Sein nächster Punkt: Arbeit. „Wir protestieren dagegen, dass Menschen nicht das arbeiten können, was sie könnten. Weil sie die Ausbildung dazu nicht bekommen und weil es so tolle Programme gibt, wie das „Budget für Arbeit“. Aber wer kennt das eigentlich? Von den Arbeitgebern jedenfalls kennen es die meisten nicht. Und das muss sich ändern.“
Sein nächstes Stichwort: Wohnen. „Es kann doch nicht sein, dass Menschen nicht da wohnen können, wo sie wollen. Und da reicht es nicht, dass wir jetzt nicht mehr von den Heimen oder Wohnstätten reden, sondern von besonderen Wohnformen. Das ändert noch nichts. Wir brauchen einfach mehr Wohnraum für Menschen mit Behinderung.“
Sein letzter Punkt: Sozialhilfe. „Ich finde es menschenverachtend, dass Menschen mit einer Behinderung ihr Leben lang auf Sozialhilfe angewiesen sein müssen. Das bedeutet, man darf nichts haben und muss sein Leben lang Anträge stellen. Es ist an der Zeit, dass wir nicht mehr von Sozialhilfe sprechen, sondern von Nachteilsausgleich, den man einmal in seinem Leben beantragt. Es kann doch nicht sein, dass eine Mitarbeiterin in der Werkstatt für behinderte Menschen alle halbes Jahr einen Einkommensnachweis erbringen muss. Das ist der pure Hohn. Die verdienen eh schon zu wenig. Da hilft es nicht, dass man über Inklusion redet. Inklusion heißt, dass die Gesellschaft sich verändern muss und nicht, dass sich behinderte Menschen verändern müssen.“
Unter lautem Applaus überreichte Martina Faßbender nach ihrer Rede das Mikrofon an Jürgen Kölsch, Selbstvertreter des Caritasverbands für die Diözese Trier. „Ich arbeite seit 27 Jahren für die Caritaswerkstatt in Trier und bin seit 15 Jahren im Werkstattrat. Die Menschen dort leisten eine sehr gute Arbeit, werden aber leider zu wenig entlohnt, um davon gut leben zu können,“ betonte er. Leider würden die Werkstätten zu wenig gefördert, um höhere Löhne zu zahlen.
„Behinderung bedeutet in der heutigen Zeit leider immer noch Armut. Wenn wir gleichberechtigt teilhaben wollen, dann muss eine politische Änderung stattfinden. Allein werden die Menschen mit Behinderung dies nicht erreichen können. Inklusion bedeutet, dass Menschen mit Behinderung auch finanziell vollkommen gleichberechtigt teilhaben können!“
Der nächste und letzte Redebeitrag am Kornmarkt kam von Monika Le-Chi Truong, Selbstvertreterin vom Club Aktiv. Gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter, die während ihrer Rede Seifenblasen über sie pustete, stand sie nun vor dem Brunnen und sprach über die langen Mühen der Bürokratie und die Notwendigkeit der Unterstützung.
„Wir brauchen Veränderung. Wir wollen nicht mehr auf Hilfe verzichten, wobei immer als erstes alles abgelehnt wird und die Bearbeitung viel zu lange dauert. Stelle ich einen Antrag auf jegliche Art von Hilfe, dann meist, weil ich diese Hilfe sofort brauche. Wir brauchen Hilfe, weil wir in irgendeiner Art und Weise eingeschränkt sind und nicht, weil wir Spaß daran haben. Nicht nur wir behinderte Menschen, sondern auch gesunde Menschen werden älter und jeder wird im Alter in der Bewegung, vielleicht auch im Kopf, eingeschränkter sein. Deshalb muss sich sofort etwas ändern. Auch wir haben eine Würde, die unantastbar sein sollte“, sagte sie. Ihr zweites wichtiges Anliegen ist der Umgang mit beeinträchtigten Menschen, die Eltern sind. Hier müssten dringend Vorurteile abgebaut werden.
Jetzt betrat Christina Brand, ebenfalls eine engagierte Selbstvertreterin, die kleine Bühne vor dem Tufa-Eingang. „Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren viele von uns. Ist das ein schönes Zusammenleben? Nein! Wir sind Menschen, wir sind Nachbarn, wir sind Kollegen und wir sind Wähler. Respekt und Achtung wünschen wir uns doch alle, also behandelt uns fair und mit Respekt“, sagte sie mit erhobener Stimme.
Auch in der Arbeitswelt gebe es viele Probleme. Oft würden andere über Menschen mit Behinderungen entscheiden. Das fange schon bei der Berufswahl an, oft gebe es nur einen Weg, und zwar den in die Werkstätten für Menschen mit Behinderung. „In der Politik wird jetzt gefordert, die Werkstätten zu schließen. Und was dann? Wo sollen wir dann arbeiten? Wer unterstützt uns? Und habt ihr auch mal an die Menschen mit starken Mehrfach-Schwerfach-Behinderungen gedacht? Dafür müssen dringend Lösungen gefunden werden“, forderte sie.
„Das, was Wolfgang eben erzählt hat, möchte ich aufgreifen“, sagte im Anschluss Malu Dreyer (SPD), amtierende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, nachdem sie zuvor das Engagement des Aktionsbündnisses und der Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter in hohen Tönen gelobt hatte. Vor dem gefüllten Tufa-Innenhof wurde die Politikerin mit lautem Klatschen herzlich begrüßt. „Wolfgang, weil du etwas sehr, sehr Wichtiges gesagt hast. Dass egal, wo wir unterwegs sind in dieser Gesellschaft, und egal, ob wir jetzt Schwierigkeiten haben zu laufen, uns zu bewegen oder was auch immer. Wir alle haben ein Recht darauf, dass die Menschen mit Würde mit einem umgehen. Dass sie hilfsbereit sind, dass sie dafür sorgen, dass Teilhabe für alle auch gelebt werden kann. Kein Mensch hat es verdient, dass man grob mit jemandem umgeht. Alle haben verdient, dass man respektvoll mit ihnen umgeht und dass auch alle die gleiche Würde in unserer Gesellschaft erleben“, so die Ministerpräsidentin.
Dann ging Malu Dreyer näher auf das 75. Jubiläum des Grundgesetzes ein, indem sie betonte, dass Artikel 1 für sie den höchsten Stellenwert habe. Dieser Artikel, der die Unantastbarkeit der Menschenwürde verkündet, sei ihrer Meinung nach das Herzstück der Verfassung. „Dieser Artikel ist ein Jedermanns-Grundrecht“, erklärte sie. Dreyer unterstrich die Bedeutung dieses Prinzips für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung, in der allen uneingeschränkte Teilhabe gewährleistet ist. Und gerade deshalb sei es jetzt besonders im Wahljahr 2024 wichtig, sich gegen die Demokratiefeinde zu wenden: „Ich muss deutlich sagen, Rechtsextreme sind eine Gefahr für unsere Demokratie, und für alles, was wir mit Gleichstellung und Teilhabe erreicht haben. Deshalb, liebe Teilnehmer dieser Demo, liebe Wähler und Wählerinnen, sorgt dafür, indem ihr demokratisch wählt, dass Rechtsextreme in unserer freien Gesellschaft keine Chance haben und alles zurückdrehen!“
Ihr nächstes Thema war die Bedeutung der UN-Behindertenrechtskonvention. Diese mache deutlich, dass alle Lebensbereiche den Menschen in unserer Gesellschaft rechtlich geschützt sind und allen gleichermaßen zustehen. Dabei betonte sie entschieden, dass es nicht bloß um Fürsorge geht, sondern vielmehr um die Verwirklichung von gleichberechtigter Teilhabe und Chancengleichheit in sämtlichen Lebensbereichen unserer Gesellschaft für jeden. „Und die Konvention hat klargemacht: Nichts über uns ohne uns! Menschen mit Behinderungen sollen tatsächlich mitgestalten können. Sie sollen daran mitwirken, wie Teilhabe in unserer Gesellschaft organisiert wird. Und ich bin total beeindruckt, dass schon so viele Selbstvertreter und -vertreterinnen heute gesprochen haben. Das ist wirklich wichtig. Es ist ein großer Fortschritt im Vergleich zur Zeit vor der UN-Behindertenrechts-konvention. Macht weiter so“, so die Spitzenpolitikerin.
Die Ministerpräsidentin äußerte weiter, dass Rheinland-Pfalz 2010 als erstes Bundesland einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention veröffentlicht habe. Sie betonte, dass dieser Aktionsplan kontinuierlich fortgeschrieben und verbessert werde, um die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz weiter voranzutreiben. Sie unterstrich, dass die Förderung der Inklusion eine fortwährende gesellschaftliche Aufgabe bleibe. „Wir wollen das gemeinsam mit euch tun, weil die Selbstvertretungen immer am besten wissen, was nicht funktioniert und wie wir weitermachen müssen. Und deshalb, liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieser Demo, lade ich euch und sie alle sehr herzlich ein, weiter mitzuhelfen, dass wir noch besser werden in Rheinland-Pfalz, um Inklusion wirklich im ganzen Sinne auch zu verwirklichen.“
Daraufhin wurde die Ministerin von einem Plakat in der ersten Reihe abgelenkt. „Ich habe dieses Riesenplakat vor meiner Nase und da steht drauf: „Ich bin gegen die Werkstattschließung!“ Wer immer davon redet, keine Ahnung, wer das sein soll, aber es ist totaler Humbug. Natürlich müssen wir Arbeit in den Werkstätten weiterentwickeln, aber eine Schließung hat keiner im Sinn“, beruhigte Malu Dreyer und leitete über zu ihren nächsten Themenkomplex: Inklusion in Schulen. Das sogenannte „gemeinsame Lernen“ habe im Land riesige Debatten ausgelöst, aber es sei wichtig, dass wir das gemeinsam in dieser Gesellschaft tragen. „Wir möchten gerne mehr Inklusion und sind noch nicht damit zufrieden, wie es im Moment an Schulen läuft. Wir müssen daran weiter gemeinsam arbeiten. Noch ist es so, dass nicht alle davon überzeugt sind, dass gemeinsames Lernen der richtige Weg ist“, räumte sie ein.
Zum Schluss ihrer Rede betonte die Ministerpräsidentin, dass ihr die Stärkung der Selbsthilfe sehr am Herzen liegt und dass intensive Gespräche mit der Selbsthilfe-Gemeinschaft geführt werden. Sie äußerte ihre feste Überzeugung, dass weitere Maßnahmen erforderlich seien, um die Selbsthilfe im Land zu stärken. Als sie das Amt der Sozialministerin übernommen habe, sei es ihr ein wichtiges Anliegen gewesen, dieses Thema anzugehen. Zu dieser Zeit wurde eine Studie mit dem Titel „Wohnen, wo ich will" ins Leben gerufen, die zu einem breiten öffentlichen Diskurs geführt habe. Für sie sei es selbstverständlich, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Unterstützungsbedürftigkeit das Recht habe, dort zu wohnen, wo er oder sie möchte. „Ich wünsche mir, dass die Kräfte in unserem Land, die diese Einstellung teilen, noch enger mit uns zusammenarbeiten, damit wir gemeinsam viel erreichen können auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie hier sind, und versichere Ihnen, dass wir weiterhin hart an diesem Ziel arbeiten werden."
Theresia Görgen, Stadtratsmitglied für Die Linke und ehemalige Förderschullehrerin, sprach als nächste Rednerin über die Herausforderungen der Barrierefreiheit in Trier. Sie betonte, dass trotz des Fortschritts noch immer viele Hindernisse im öffentlichen Raum existieren, die insbesondere für Menschen mit Behinderungen problematisch sind. Neue Bürgersteige, die bei Straßensanierungen gebaut werden, seien oft nicht angemessen für Menschen mit Behinderungen gestaltet, was sie als inakzeptabel bezeichnete.
Görgen erwähnte auch einen Leitfaden für ein barrierefreies Trier, der vom Beirat von Menschen mit Behinderungen entwickelt und kürzlich vom Stadtrat beschlossen wurde. Sie warnte jedoch davor, dass es nicht ausreiche, bei einem Leitfaden zu bleiben. Strukturelle Veränderungen seien notwendig, wie zum Beispiel die Gewährleistung von barrierefreiem Zugang zu Bildungseinrichtungen. Görgen kritisierte auch die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland und Rheinland-Pfalz, insbesondere im Bildungsbereich, wie im Schattenbericht 2023 deutlich wurde.
Ihr Engagement für Inklusion und Bildungsgerechtigkeit erstreckt sich über mehr als 40 Jahre, betonte Görgen. Sie forderte inklusive Bildungs-, Betreuungs- und Freizeitangebote, die die Vielfalt wertschätzen und fördern. Jedes Kind und jeder Jugendliche solle entsprechend seiner individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse gefördert werden können. Sie unterstrich die Notwendigkeit, in Kinder, junge Menschen und Familien zu investieren, um Trier zu einer lebenswerteren Stadt für Familien zu machen, die volle Unterstützung erhalten.
Bevor in der TUFA die dritte Runde PARTYzipation startete, war erstmal eine kurze Pause angesagt. Die Infostände einiger Teilnehmer des Aktionsbündnisses waren jetzt der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Hier fanden die Demonstranten nicht nur Informationsmaterialien, sondern auch die Möglichkeit zum Austausch. Dicht gedrängt standen die Menschen vor den Tischen der Caritas, des BürgerService, der Johanniter, der Feministischen Vernetzung, der Sekis und der BundJugend auf denen Broschüren, Flyer und Petitionslisten auslagen. Hier wurden Kontakte geknüpft.
Am Stand des Projekts „Selbstvertretung – von uns für uns!“ konnte man zudem ein Quiz in Leichter Sprache über Promis machen, was sehr gut ankam. Der Club Aktiv hatte eine Fotobox aufgebaut. Sie ermöglichte den Teilnehmern, ihre Botschaften auf kreative Weise zu verbreiten und ihre Solidarität zu zeigen. Viele Teilnehmer nutzen die Box, um ihre Unterstützung visuell als ein bleibendes Andenken festzuhalten.
Unterbrochen wurde das rege Treiben durch eine Pausenklingel, ähnlich wie im Theater. „Es geht weiter mit der PARTYzipation“, rief Max, ehrenamtliche Mitarbeiter des Projekts Selbstvertretung, bewaffnet mit einer lauten Handglocke. Nach und nach strömten die Demonstranten in den großen Saal der TUFA.
„Das ist wirklich Wahnsinn, mit wie vielen von euch heute durch die Stadt gezogen seid. Das Motto ist ja „Barrieren überwinden, zueinander finden“, und wenn das heute nicht von euch mit Leben gefüllt wurde, dann weiß ich es auch nicht“, sagte anschließend Verena Hubertz, Trierer Bundestagsabgeordnete der SPD.
Sie fragte, wer 2009 bei „Trier trommelt“ dabei gewesen sei, als sie gemeinsam mit Guildo Horn und Malu Dreyer den Trommelweltrekord nach Trier geholt hatte. Und tatsächlich, einige hoben mit einem Lächeln im Gesicht die Hände. „Und das gilt es heute immer wieder zu zeigen: Ihr könnt was, ihr seid wichtig, und diese Gesellschaft ist gut, wenn sie vielfältig und bunt ist und ihr euch auch lautstark einbringen könnt. Und dafür nochmal einen großen Applaus für euren Einsatz heute“, ergänzte sie.
In Berlin setze sie sich gerne für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein und arbeite an komplexen Gesetzesvorhaben wie der Überarbeitung des Behindertengleichstellungsgesetzes und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Wichtig sei jedoch, und das zeigten die genannten komplizierten Wörter, einfache und leichte Sprache zu verwenden, um Inklusion und damit Vielfalt zu fördern. Sie wies darauf hin, dass es nun die erste gehörlose Bundestagsabgeordnete gebe, die ihre Gebärdendolmetscher mitbringe. Dies sei ein bedeutender Schritt für Barrierefreiheit im Bundestag und zeige, wie es gehen könne. „Macht weiter, seid stark und seid vielfältig“, sagte die Politikerin zum Abschluss.
Die Scheinwerfer richteten sich auf die Bühne, wo das Moderatorenduo Patrick Loppnow, Redakteur bei TACHELES, und Anna Lena Hau, Mitarbeiterin im Wohnhaus Schützenhaus der Lebenshilfe Trier, mit Mikrofonen bewaffnet, das Publikum auf die Party einstimmte. „Habt ihr Bock“, fragte Patrick mit erhobener Stimme. „Ja“ antwortete das Publikum. „Lasst uns den Abend richtig feiern“, fügte Anna Lena hinzu, während die Menge applaudierte.
Den Anfang machte die inklusive Band GRUPPE BLUMENSTRAUSS aus Offenbach. Mit ihrem deutschsprachigen Indie-Poprock und einer mehr als mitreißenden Bühnenpräsenz schufen sie eine tolle Atmosphäre. Schon nach wenigen Takten hatte sie das Publikum im Griff. Trotz der Herausforderungen durch die Covid-Pandemie haben die Musiker seit 2020 hart daran gearbeitet, ihre ersten eigenen Songs im März 2022 zu veröffentlichen. Diese Entschlossenheit und Leidenschaft spiegelten sich in jedem einzelnen Lied wider. Die Band hat nicht nur musikalisch überzeugt, sondern auch mit ihrer authentischen Art. Die Freude der Band, endlich wieder regelmäßig auftreten zu können, war spürbar und übertrug sich auf die begeisterten Zuhörer*innen. Während des ganzen Sets der Band wurde getanzt, gelacht und gemeinsam gefeiert.
Und so ging es nach dem schnellen Umbau mit dem Hauptact weiter. Der Rapper GRAF FIDI brachte die TUFA zum Beben. Als Inklusionsbotschafter und Musiker bewies er eindrucksvoll, dass körperliche Einschränkungen keine Hindernisse sind. Mit seinem Motto „Ich mach das mit Links“ und seinem energetischen Rap begeisterte er das Publikum. GRAF FIDI verstand es, seine Botschaft von Inklusion und Gleichberechtigung in jedem Song zu transportieren. Als stellvertretender Vorsitzender der Stiftung Lebenshilfe Berlin und Medienpädagoge lebt er diese Prinzipien nicht nur auf, sondern auch hinter der Bühne. Seine Show war ein inspirierendes Erlebnis, das zeigte, wie Musik Barrieren überwinden kann. GRAF FIDI bewies, dass man alles erreichen kann, wenn man an sich glaubt und für seine Überzeugungen einsteht. Er erwies sich damit als passender Höhepunkt für den Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung.
Zum Ende des erfolgreichen Tages sorgt DJ KEULSLOVSKI mit einer perfekt abgestimmten Mischung aus aktuellen Hits und zeitlosen Klassikern brachte DJ KEULSLOVSKI das Publikum nochmal zum Tanzen. Als die letzten Töne aus den Boxen erklungen, war klar: Dieser Protesttag und die PARTYzipation waren mehr als nur ein Event am 5. Mai. Es war ein Ausdruck der Gemeinschaft und der Hoffnung auf eine inklusive Zukunft.
Los ging es um 15 Uhr an der Porta Nigra. Der Vorplatz war mit bunten Fahnen, Transparenten und Plakaten geschmückt. Eiligst wurden noch von den Ordner*innen Trillerpfeifen verteilt. Heiko Reppich, Vorstand des Lebenshilfe Trier e. V., gab mit seiner Eröffnungsrede den Startschuss. Er machte in seiner Begrüßungsrede eine gelungene Überleitung zur vorherigen Kundgebung der Bürgerinitiative „Pulse of Europe“, die ebenfalls den 5. Mai auswählte, um auf die Wichtigkeit der diesjährigen Europawahl aufmerksam zu machen.
„Unsere Themen passen wunderbar zur vorherigen Veranstaltung für Europa und Demokratie. Seit Monaten streiten wir in unserem Land für Demokratie, gegen Rassismus und Extremismus. Und das Ganze kann und muss immer nur gedacht werden, wenn die Inklusionsrechte von Menschen mit Behinderung mitgedacht werden, denn Faschisten stellen diese in Frage. Inklusionsrechte sind jedoch ein wichtiger und unmittelbarer Bestandteil unserer Demokratie und dafür streiten wir heute hier“, sagte er.
Dann wurde es sehr emotional. „Ich bin Beate Macher und ich bin schon seit vielen Jahren als Selbst-Vertreterin aktiv. Menschen kommen mit ihren Problemen zu mir. Gewalterfahrungen sind für viele noch alltäglich, genauso wie Bevormundung. Viele entscheiden jeden Tag für uns statt mit uns. Das muss sich ändern. Deshalb setze ich mich jeden Tag für andere ein. Deshalb stehe ich auch heute hier,“ betonte die Selbstvertreterin unter Tränen.
Sie wünsche sich eine Gesellschaft, die alle Menschen gleichermaßen einschließt. „Aber wenn Parteien gewählt werden, die nicht dieses Ziel verfolgen. Parteien, die ihre Macht gegen Inklusion nutzen wollen. Dann ist unsere Demokratie in Gefahr, dann sind auch wir in Gefahr. Wir sind alle gleich. Wir haben viele verschiedene Charaktere und das finde ich das Schönste. Vielfalt ist nicht schwarz-weiß, grau und fad. Vielfalt ist bunt! Lasst uns die Mauern einreißen. Die Mauern zwischen uns und die Mauern in unseren Köpfen. Lasst uns: Barrieren überwinden! Zueinander finden!“
Nach einem tosenden Applaus begann langsam der Marsch in Richtung Hauptmarkt. Inmitten des Protestzugs waren viele bunte Plakate zu sehen, die klare Botschaften trugen: „Inklusion für alle!“, „Gemeinsam etwas bewegen!“, „Barrierefreiheit für alle!“, „Für eine Zukunft, in der wir alle zählen!“, „Bessere Löhne in der Werkstatt!“, „Keine Bühne für die AfD!“, „Gleiches Recht für alle!“, „Inklusion ist kein Privileg, sondern ein Menschenrecht!“, „Gemeinsam stark – Vielfalt macht uns unbesiegbar!“ und viele, viele mehr.
Es war laut, nicht nur wegen der Trillerpfeifen, sondern auch wegen der Megaphone, durch die das Motto „Barrieren überwinden, zueinander finden!“ lautstark gerufen wurde. Sprechchöre waren zu hören: „Nichts über uns, ohne uns!“, „Trier für alle!“, „Nieder mit den Bordsteinkanten!“ Die wegen des verkaufsoffenen Sonntags shoppenden Menschen machten dem Protestzug Platz, viele applaudierten, einige schlossen sich spontan der Menge an. Die Selbstvertreterinnen und die Ordnerinnen verteilten fleißig Flyer mit Forderungen. Am Hauptmarkt staunten die weintrinkenden Besucher des „Wine and the City“-Events über die vielen Teilnehmer*innen der Demo. Über die Fleischstraße zog der Zug weiter in Richtung Kornmarkt. Dort stand ein Zwischenstopp mit weiteren Reden an.
Als nächstes ging Selbstvertreterin Martina Faßbender von der Lebenshilfe Trier vor dem Georgsbrunnen ans Mikrofon. „Ich lebe mit einer psychischen Beeinträchtigung. Mir ist es sehr wichtig, dass Menschen mit einer psychischen Einschränkung in der Gesellschaft wahrgenommen und respektiert werden,“ sagte sie.
Psychische Erkrankungen seien vielfältig, deshalb brauche man mehr Fachpersonal, mehr Therapiemöglichkeiten und mehr gegenseitiges Verständnis. „Nur so können wir die Barrieren in unseren Köpfen endlich abbauen. Wir sind schließlich alle Menschen. Wir sind vielfältig und haben tolle Fähigkeiten. Niemand verdient es, ausgeschlossen, ausgelacht oder diskriminiert zu werden. Und ich sage euch: All das braucht mehr Öffentlichkeit!“
Dann war Heiko Josten, Selbstvertreterin der Lebenshilfe Trier, an der Reihe. Mit Kopfhörern im Ohr und ihrem Mobiltelefon in der Hand stand sie vor den Demonstranten. „Sie hört ihre Rede ab“, stellte Rebekka Auer klar. Dies sei auch eine Form, Barrieren zu überwinden.
Dann ergriff Heike Josten das Wort: „In der Politik werden viele Entscheidungen getroffen, ohne Menschen mit Beeinträchtigungen einzubeziehen. Aber diese Entscheidungen sind nicht immer gut für uns. Zum Beispiel das Bundes-Teilhabe-Gesetz! Über unser Geld wird entschieden. Über unsere Arbeit wird entschieden. Ob wir Eltern werden oder nicht und wie wir wohnen, wird für uns entschieden. Kostenträger, Fachkräfte, gesetzliche Betreuer, Stadt und Land sind diejenigen, die entscheiden. Und wir brauchen gute Unterstützung, damit wir alle Entscheidungen gemeinsam treffen können! Wir wollen selbstbestimmt leben! Lasst uns die Barrieren in der Politik überwinden und zueinander finden!“
Die Zeit drängte, und mit dem Ablaufplan geriet man leicht in Verzug. Deshalb musste der Protestzug etwas schneller weiterziehen. Während die Demonstranten sich über die Nagelstraße, Neustraße und Germanstraße in Richtung Tufa bewegten, musste eilig die Tontechnik am Kornmarkt abgebaut und zur Tufa gebracht werden. Für die Kulturkarawane, die am Kornmarkt und an der TUFA für den Sound sorgte, war das kein Problem. Gerade rechtzeitig konnte im Innenhof der Tuchfabrik, inmitten der Aktions- und Infostände der Kooperationspartner, alles aufgebaut werden. Eine Punktlandung. Während das letzte Kabel angeschlossen wurde, kam auch der Demozug schon lautstark um die Ecke: „Barrieren überwinden, zueinander finden!“. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es mit dem Redeprogramm weiter.
Wolfgang Reiter, Selbstvertreter der Lebenshilfe Trier, berichtete im Anschluss sehr emotional von einer diskriminierenden Erfahrung, die er erleben musste. „Vor Kurzem war ich mal wieder mit dem Bus unterwegs, und mir ist Folgendes passiert: Ich wurde vom Busfahrer aus dem Bus entfernt. Er sagte zu mir, dass der Platz, an dem ich mit meinem Rollator sitze, der ja eigentlich für Menschen wie mich vorgesehen ist, für Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen gedacht ist. Als ich dann aussteigen wollte, musste ich die Leute an der Tür bitten, mich durchzulassen. Mir helfen wollte niemand, auch nicht der Busfahrer. Ich fühlte mich sehr respektlos behandelt. So etwas soll und darf einfach nicht passieren. Es ist dringend Zeit für mehr Respekt und Toleranz auf dieser Welt. Schaut nicht weg, sondern helft einander“, so der Selbstvertreter.
Corinna Rüffer, Bundestagsabgeordnete der Grünen und Sprecherin für Behindertenpolitik, betonte nach der Rede der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin die Notwendigkeit, am Protesttag nicht nur Lippenbekenntnisse abzugeben, sondern auch klare Missstände anzusprechen. "Und ganz ehrlich, viele Dinge im Hinblick auf Inklusion in diesem Land funktionieren einfach nicht gut. Und heute wurden hier einige davon angesprochen und mit Schildern gezeigt", sagte die Politikerin. Sie erzählte von einer Mutter, mit der sie auf der Demonstration gesprochen habe, die sich wünschte, dass ihr Kind regelmäßig eine Kindertagesstätte besuchen dürfe. "Und wenn das nicht selbstverständlich ist in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, dass ein vierjähriges Kind regelmäßig die Kita besuchen darf, dann läuft hier etwas grundlegend verkehrt", rief sie in das Mikrofon.
"Inklusion ist nichts für Sonntagsreden", fuhr Rüffer fort und betonte, dass die Mutter die Unterstützung der gesamten Gesellschaft benötige und dass Inklusion ein Menschenrecht für jeden in diesem Land sei. Weiterhin erinnerte sie daran, dass der Protesttag am 5. Mai seit 1992 bestehe und dass Malu Dreyer in ihrer vorherigen Rede das Grundgesetz, insbesondere Artikel 1, hervorgehoben habe. Nachdem die Selbstvertretung 1992 erstmals für Inklusion auf die Straße gegangen sei, sei ein Jahr später Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes geändert worden, um zu untermauern, dass niemand aufgrund seiner Beeinträchtigung benachteiligt werden dürfe. "Und deshalb stehen wir nicht hier, um zu bitten und zu betteln, sondern wir stehen hier, weil wir für unsere Rechte kämpfen und nicht nachlassen werden, bis die Strukturen in diesem Land tatsächlich inklusiv sind."
Sie hob hervor, dass Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter am besten wüssten, was ihr Leben schwierig mache, und dass dies in der Regel nicht die Beeinträchtigung selbst sei, sondern die gesellschaftlichen Barrieren. Die Bundestagsabgeordnete erklärte, dass Politiker im Bundestag dafür verantwortlich seien, Veränderungen herbeizuführen. Sie betonte die Wichtigkeit, dass Menschen mit Beeinträchtigungen selbst das Wort ergriffen hätten, und dass die Politiker ihren Auftrag mit in die Parlamente nehmen müssten. "Das ist ein Auftrag, den wir, und da spreche ich für die Ministerpräsidentin natürlich auch für Klaus Jensen, der früher der Beauftragte für beeinträchtigte Menschen in Rheinland-Pfalz gewesen ist, für Gerd Dahm, der jeden Tag seines Lebens der Inklusion widmet, – für all diese Menschen spreche ich, und ich verspreche Ihnen, dass wir unser Bestes geben, um dieses Land inklusiver zu machen. Denn ohne Inklusion wird es auch keine Demokratie geben, keine gute Gesellschaft geben. Unsere Demokratie braucht Inklusion."
Abschließend zeigte sie sich erfreut über die große Beteiligung am Protesttag und äußerte den Wunsch, dass mehr Menschen das Konzept der Inklusion verstehen sollten, um gemeinsam für eine inklusive Gesellschaft zu kämpfen.
Danach folgte der Redebeitrag der Feministischen Vernetzung Trier. Die Rednerin Edi äußerte Kritik an den patriarchalen und kapitalistischen Strukturen der Gesellschaft. Diese führten dazu, dass leistungsfähige Männer als Maßstab für das gesamte Leben angesehen werden. Menschen mit Körperbehinderungen, Depressionen oder ADHS würden deshalb aufgrund ihrer abweichenden Leistungen täglich Ablehnung und Ausgrenzung erfahren. Ebenso auch neurodiverse und psychisch kranke Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre und trans- Personen, insbesondere in der medizinischen Versorgung und durch sexualisierte Gewalt.
Sie wies zudem auf den Gender Data Gap in der medizinischen Forschung hin, der dazu führe, dass die meisten Medikamente an Männern getestet würden, was gravierende Unterschiede in der Wirksamkeit und den Nebenwirkungen für andere Geschlechter bedeute.
Weiter kritisierte die Feministin die mangelnde Barrierefreiheit in gynäkologischen Praxen und Frauenhäusern. Beeinträchtigte Frauen hätten dadurch oft erst spät Zugang zu notwendigen Untersuchungen und Schutzräumen.
Edi schilderte, dass behinderte Frauen häufiger sexualisierte Gewalt erlebten als nicht-behinderte. Diese Frauen seien oft von Menschen abhängig, die ihnen im Alltag assistierten, und lebten häufig in Einrichtungen, was das Risiko für Machtmissbrauch erhöhe.
Sie forderte mehr Finanzierung für den Abbau von Barrieren, eine gendergerechte Medizin und diskriminierungssensible Sexualbildung. Abschließend rief die Aktivistin dazu auf, die Mehrfachbetroffenheit durch patriarchale und behindertenfeindliche Strukturen sichtbarer zu machen und gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben.
Bevor die Party losging, standen im großen Saal der TUFA noch drei weitere kurze Reden auf dem Programm. Den Anfang machte Elvira Garbes, Bürgermeisterin der Stadt Trier und Geschäftsführerin des Dezernats für Soziales, Bildung, Jugend und Integration. Sie zeigte sich begeistert über die zahlreichen Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die sich für die Inklusion in Trier einsetzen. „Ihr seid hier, weil ihr aktiv für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen kämpft, das finde ich großartig“, lobte sie.
Die Bürgermeisterin betonte, dass die Gesellschaft digital, zukunftsorientiert, divers und vielfältig sei, doch sei es noch nicht gelungen, alle Menschen gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben zu lassen, was sie bedauerte.
Die Stadt Trier habe sich jedoch dem Leitspruch „Trier – alle inklusiv“ verschrieben und einen „Aktionsplan Inklusion“ mit über 100 Maßnahmen verabschiedet, die aus der Zivilgesellschaft heraus als notwendig erkannt und formuliert worden seien. Viele dieser Maßnahmen seien bereits umgesetzt worden, wie etwa die barrierefreien Wahllokale. Auch bei der Neugestaltung und Sanierung von Kinderspielplätzen, Kitas und Schulen würden inklusive Aspekte berücksichtigt, und die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung würden regelmäßig in Leichter und Gebärdensprache geschult.
Zum Abschluss würdigte sie die Mühen des Aktionsbündnisses und forderte einen Applaus für deren Engagement.
Die Bands warteten bereits ungeduldig darauf, auf die Bühne zu kommen, daher versprach Markus Leineweber, Vorsitzender des Caritasverbands Trier, seine Ansprache kurz zu halten. Er bedankte sich im Namen des Caritasverbandes herzlich bei allen Anwesenden und betonte die Bedeutung des Bündnisses, das heute zustande gekommen sei.
Besonders hob er hervor, dass zwischen den verschiedenen Anbietern und Institutionen Barrieren überwunden und gemeinsam aufgetreten worden sei. Außerdem würdigte er die vielen Menschen, die hinter der Organisation stünden, und betonte, dass Rebekka Auer eine zentrale Rolle gespielt habe. Sie habe mit großem Einsatz die Veranstaltung geleitet und verdient dafür großen Applaus.
„Bei all dem Wichtigen und Richtige, was heute schon gesagt worden ist, hätte ich einen Wunsch zum Abschluss. Es ist ja der Protesttag zur Gleichstellung und mein Wunsch wäre es, dass wir einen Festtag daraus machen können, nämlich dass wir feiern können, was wir was erreicht haben“, sagte er und betonte, dass dies leider ein langer Weg sei, den man aber auf jeden Fall gemeinsam verfolgen wollte.
Die Worte hallten nach und lösten Applaus aus, während sich die Atmosphäre im Saal zu verändern begann. Die Reden waren gehalten, die Botschaften angekommen – nun war es bereits jetzt schon Zeit zu feiern.
Federführend für den Zusammenschluss war das Projekt „Selbstvertretung – von uns für uns!“ der Lebenshilfe Trier. Insgesamt 15 soziale und kulturelle Institutionen haben sich zusammengetan. Mit dabei sind die Lebenshilfe Trier, die TUFA, der Kulturgraben, der Club Aktiv, der Caritasverband Trier, die Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle Trier (SEKIS), Pro Retina, TACHELES – das inklusive Medien-Team der Lebenshilfe Trier, die Bürgerservice gGmbH, das Zentrum für Sozialpädiatrie und Frühförderung Trier (SPZ), das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB), die Johanniter Trier, die BUNDjugend und die Feministische Vernetzung Trier. Auch der Behindertenbeirat Trier unterstützt das Bündnis. Und die Kulturkarawane gemeinnützige UG supportet das Aktionsbündnis.
Gefördert wurde der Protesttag in Trier durch die Aktion Mensch.
Seit über 30 Jahren veranstalten Verbände und Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe rund um den 5. Mai überall in Deutschland Podiumsdiskussionen, Informationsgespräche, Demos und andere Aktionen. Im Kern geht es darum, die Kluft zwischen dem im Grundgesetz verankerten Anspruch der Gleichberechtigung für alle Menschen und der Lebenswirklichkeit zu überwinden. Entstanden ist der Protesttag 1992 auf Initiative des Vereins Selbstbestimmt Leben, einer Interessenvertretung von Menschen mit Behinderung.
Hier finden Sie Infos über den 5. Mai 2023.