So war der Protesttag am 5. Mai

Zum Europäischen Protesttag gab es eine Demo durch Trier. Rund 200 Teilnehmer*innen waren mit dabei.

Zum alljährlichen Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung hatte sich das Projekt Selbstvertretung zusammen mit der Öffentlichkeitsarbeit der Lebenshilfe Trier eine ganz besondere Aktion ausgedacht. Zum ersten Mal fand in Trier ein Protestzug durch die Innenstadt statt. Rund 200 Teilnehmer*innen folgten dem Aufruf und nahmen lautstark an der Demo teil.

Unter dem Motto „Barrierefreiheit jetzt! Trier für alle!“ versammelte man sich aus der Region, um auf die Herausforderungen hinzuweisen, mit denen Menschen mit Beeinträchtigung täglich konfrontiert werden. Und natürlich um Verbesserungen einzufordern, die teils schon längst überfällig sind.Gefördert wurde der Protesttag und das Projekt durch Aktion Mensch.

Der Behindertenbeauftragte der Stadt Trier, Gerd Dahm, unterstützte die Veranstaltung mit Gebärdendolmetscher*innen. TACHELES – das inklusive Medien-Team begleitete die Demonstration medial. Los ging es an der Porta Nigra mit einer kurzen Eröffnungsrede von Herrn Reppich, Vorstand des Lebenshilfe Trier e. V. „Wir fordern Barrierefreiheit im öffentlichen Raum! Wir fordern Barrierefreiheit im Verkehr!

Wir fordern Barrierefreiheit in der Stadt! Menschen mit Beeinträchtigung müssen überall Zugang haben! Wir fordern Barrierefreiheit im Internet! Besonders auf den Seiten der Behörden! Wir fordern überall Leichte Sprache, sodass alle Menschen alle Informationen verstehen können,“ so Herr Reppich.

Im Anschluss ergriff Rebekka Auer, Leiterin des Projekts Selbstvertretung das Mikrofon. „Toll, dass ihr alle so zahlreich da seid, um für mehr Teilhabe einzustehen, und dass Diskriminierung endlich ein Ende hat,“ betonte die Sozialpädagogin. Mit dem Slogan „Barrierefreiheit jetzt! Trier für alle!“ setzte sich der Protestzug in Bewegung.

Während des Zuges skandierten die Teilnehmer*innen lautstark weitere Schlachtrufe: „Barrieren überwinden, zueinander finden!“, „Hoch mit der Inklusion, runter mit den Barrieren!“, „Mit Herz, Mut und Verstand, mehr Inklusion in unserem Land!“


Da Protest nicht nur laut sein muss, sondern auch visuell auffallen sollte, bastelte das Projekt Selbstvertretung im Vorfeld eifrig jede Menge Plakate. Diese wurden beim Start der Demo an die Teilnehmenden verteilt.

Darüber hinaus wurde im Vorfeld ordentlich die Werbetrommel gerührt. Nicht nur das auf der vorherigen Seite abgedruckte Plakat hing in vielen Ecken der Stadt: Die Selbstvertreter*innen starteten auch eine breitangelegte Social-Media-Kampagne, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen, und um den Protesttag zu bewerben.

Während der Protestzug über den Hauptmarkt durch die Grabenstraße in die Brotstraße und weiter über die Nagelstaße in die Fleischstraße zog, schlossen sich zahlreiche Passant*innen, die in der Innenstadt unterwegs waren, spontan dem Marsch an. Auf der Höhe des Kornmarktes fand man sich dann schließlich zur Abschlusskundgebung am Aktionsstand des Projekts Selbstvertretung ein. Hier schufen die Organisator*innen einen Ort für Austausch und Begegnung. Es bestand die Möglichkeit, sich über verschiedenste Themen der Barrierefreiheit zu informieren. Es lagen Infomaterialien aus und mit dem Fachpersonal wie auch mit den Selbstvertreter*innen vor Ort konnten alle Interessierten ins Gespräch kommen.

„Ihr wart super laut,“ leitete Gerd Dahm, derzeitiger Vorsitzender des Behindertenbeirates und zugleich Behindertenbeauftragter der Stadt Trier, seine Rede ein. Es sei schade, aber leider auch erwartbar gewesen, dass viele Politiker*innen schon im Wochenende seien anstatt hier, kritisierte er. „Alle reden von Inklusion. Und es gibt noch viele Menschen, die meinen, man muss das Ding nur anders nennen, und schon wird es besser. Aber dass sich die Verantwortung für Ausgrenzung geändert hat, dass nicht mehr behinderten Menschen dafür verantwortlich sind, sondern die, die sie ausgrenzen, das ist vielen nicht klar. Und dann sind wir bei der Politik, aber auch bei der Gesellschaft.“ Es reiche zum Beispiel nicht, wenn man eine Schwerpunkt-Schule lediglich inklusive Schule nenne, so Dahm. „Wenn ein behindertes Kind nicht da zur Schule gehen darf, wo seine Nachbarn oder Geschwister hingehen, dann hat das wenig mit Inklusion zu tun.“

Sein nächstes Thema: der Arbeitsmarkt für Menschen mit Beeinträchtiggung. Jeder habe das Recht, sich seinen Arbeitsplatz auszusuchen, außer Menschen mit Behinderung, mahnte er. „Das kann doch nicht sein!“ Er sei nicht gegen Werkstätten für Menschen mit Behinderung, aber er fordere für beeinträchtigte Menschen die Wahlfreiheit und nicht den Zwang. Hier erntete er einen tobenden Applaus.

Sein nächster Punkt war der inklusive Wohnungsmarkt. Es sei leider die Regel, dass barrierefreie Wohnungen zwar gebaut würden, aber nicht für die, die sie tatsächlich bräuchten. „Es ist eine Schande, dass Menschen mit Behinderungen, die oft leider ein niedriges Einkommen haben, diese nicht bekommen,“ betont er.

Sein letztes Thema war das Bundesteilhabegesetz. Der Antrag auf Eingliederungshilfe sei viel zu komplex und zu lang, viele kämen damit einfach nicht klar. „So sieht unsere Inklusion aus. Das ist Verhinderung von Teilhabe und das ist nicht Förderung von Teilhabe,“ kritistiert Dahm.

Abschließend fordert er die Demonstrant*innen auf, weiterhin laut zu sein und sich zu engagieren. „Wir schaffen das nur, wenn wir das gemeinsam machen!“
Im Anschluss hielten vier Selbstvertreter*innen eine Rede. Diese können Sie auf den folgenden Seiten im Wortlaut lesen.  Medial begleitet wurde die erste Demonstration zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung von TACHELES - das inklusive Medien-Team. Den Videobeitrag mit zahlreichen Interviews finden Sie unter www.tachelesmedien.de.

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